Zusammen mit Guido Kühn stelle ich die Arbeit “9/11”, eine audiovisuelle Installation, in der Ausstellung “Paarweise” des Hohenloher Kunstvereins vom 11. Juli bis zum 24. Oktober 2021 aus.
9/11 – Guido Kühn | Christian M. Fischer
Zwei Hochhäuser, Rauch, Chaos. Niemand wird die Bilder wohl jemals vergessen können, die weltweit am 11. September 2001 übertragen wurden. Eine Boeing 767 bohrt sich wie ein Projektil in den nördlichen 411 Meter hohen Tower des World Trade Center in New York und explodiert. 18
Minuten später schlägt eine weitere Boeing 767 in den südlichen Tower des World Trade Center ein. Eine dritte Maschine trifft das Pentagon, eine 4., vermutlich auf dem Weg zum Weißen Haus, stürzt bei Philadelphia, als Passagiere die Attentäter überwältigen können, auf freiem Feld ab.
Fast 3.000 Menschen sterben an diesem Tag.
Die Schockwellen liefen von diesem Ereignis um die Welt und sind bis heute zu spüren. Kriege, Flüchtlingswellen, tiefgreifende globale politische
Verschiebungen und Neubewertungen nahmen hier ihren Ausgang oder wurden durch dieses Ereignis beschleunigt. Aber 9/11 war und ist nicht nur eine Tragödie, ein terroristischer Akt, ein Politikum und ein globales Medienereignis, sondern auch die Summe unzähliger Einzelschicksale,
bis zum heutigen Tag.
Wir sehen in den Dioramen Bilder der Nachrichtensendungen, die damals wie eine alles andere verdrängende, eine Schockstarre auslösende, mediale Endlosschleife die Welt in Echtzeit zuschauen ließen. Bilder, die sich in das visuelle Gedächtnis eingebrannt haben. Dabei stellen die Dioramen in jeweils zufälliger Konstellation Bilder vom 9.11. in den Mittelpunkt. Unscharf im
Hintergrund, gleichsam als Vorahnung ausgehend vom festgehaltenen Moment am Tag des Attentats, finden sich aktuelle Motive aus den Medien, die in direktem oder indirektem Zusammenhang zu den Ereignissen stehen.
Auf der Audiospur hört man in jedem Diorama einen anderen Soundscape. Diese bestehen jeweils aus komplexen Faltungen eines Liedes der Clear Channel Memorandum Liste, einer von vielen Empfehlungslisten, in der Musikstücke aufgeführt waren, die in Amerika nach 9/11 als unpassend empfunden wurden. Jeweils ein Lied der CCM Liste wurde also mit mit einem
aktuellen Lied aus den US Billboard Charts gefaltet. Wie z.B. “Aeroplane” von den Red Hot Chilli Peppers von 1995 (CCM) gefaltet mit “Kiss me more” von Doja Cat von 2021 (Billboard Charts). Durch die Faltung verändert, entstehen durch die qualitativ minderwertige Wiedergabe der an Frequenzen armen Lautsprecher, analog zu den Abbildungen im Diorama, unpräzise, raue
Klangteppiche, in denen Details wie die menschliche Stimme nur noch entfernt erahnt werden können. Die Länge der Audiofiles ist bestimmt von Zeitabständen des Ablaufs der Terroranschläge. Zum Beispiel dem Zeitraum, die Flug 11 von seiner letzten Kursänderung bis zum Einschlag im Nordturm des World Trade Centers brauchte oder die Zeit die von der Revolte der
Passagiere in Flug 93 bis zum Einsturz des Südturms vergingen.
Die Dioramen setzen sich daher nicht nur mit den Verbindungen und dem Einfluss der Anschläge vom 11. September 2001 auf unser politisches und kulturelles Leben heute auseinander, sondern lenken die Aufmerksamkeit der Betrachter auch auf die Negierung der von den Anschlägen direkt,
oder über die Jahre indirekt, betroffenen Einzelschicksale im lauten globalen Grundrauschen einer niemals endenden, medialen Überflutung. Obwohl wir uns als Betrachter dem Diorama, also dem Gegenstand unserer Untersuchung nähern können und es sogar auf unsere Bewegung reagiert, bleiben uns Details verborgen und befriedigende und die Causa schließende Antworten verwehrt.